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Thursday, July 16, 2020

rbb exklusiv: Brandenburg ist ein Umschlagplatz für Tierexporte in "Hochrisikostaaten" - rbb24

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Rinder auf Transport (Quelle: dpa/Pilick)

dpa/Pilick

Video: Tagesschau um 12 | 16.07.2020 | Bild: dpa/Pilick

rbb exklusiv - Brandenburg ist ein Umschlagplatz für Tierexporte in "Hochrisikostaaten"

Viehtransporte nach Zentralasien, Afrika oder in den Nahen Osten haben mit Tierwohl oft nicht viel zu tun. Viele Veterinärämter in Deutschland genehmigen sie erst gar nicht mehr. Doch in Brandenburg haben sich regelrechte Viehtransport-Drehkreuze entwickelt.

Wer Tiere in umstrittene "Hochrisikostaaten" exportieren will, tut dies häufig über Brandenburg. Das ist das Ergebnis einer gemeinsamen Recherche von ARD-Mittagsmagazin, rbb24 Recherche und dem rbb-Verbrauchermagazin Super.Markt. Demnach gibt es unter den rund 400 Landkreisen und Städten deutschlandweit neun Landkreise, die im vergangenen Jahr für 97 Prozent aller Rinder-Exporte in die Hochrisikostaaten verantwortlich waren. Diese liegen - neben Brandenburg - in vier weiteren Bundesländern.

Angeführt wird die Exportstatistik des Zeitraums zwischen Januar 2019 und Februar 2020 vom Emsland in Niedersachsen. 7.197 Rinder wurden von hier aus exportiert. Auf dem zweiten Platz liegt Teltow-Fläming (6.478 Rinder), Prignitz ist vierter (4.706) und Oberspreewald-Lausitz (1.897) folgt auf Platz sechs.

Die Exporte aus den Landkreisen gehen nach Nordafrika (Ägypten, Algerien, Libyen, Marokko und Tunesien), Zentralasien (Aserbaidschan, Kasachstan, Turkmenistan und Usbekistan) und in den Nahen und Mittleren Osten (Irak, Iran, Libanon, Türkei). Den dreizehn Empfänger-Ländern ist gemein, dass sie von der Fachzeitschrift des Bundesverbandes der beamteten Tierärzte (BBT) als “Tierschutz-Hochrisikostaaten“ bezeichnet werden und dass die Bundesländer Bayern, Hessen und Schleswig-Holstein aufgrund des mangelnden Tierschutzes bei Transporten in diese Länder die Exporte grundsätzlich ablehnen.

Weil deshalb aus diesen drei Bundesländern Exporte kaum mehr möglich sind, verbringen die Exporteure offenbar Rinder vermehrt nach Brandenburg, um sie unter anderem dort zum Export genehmigen zu lassen. Eine Umfrage des Rechercheteams von ARD-Mittagsmagazin, rbb24 Recherche und dem rbb-Verbrauchermagazin Super.Markt unter allen Veterinärämtern dieser drei Bundesländer hat ergeben, dass von den Landkreisen, die geantwortet haben, zwei Drittel bestätigen können, dass ihre Rinder über einen anderen Landkreis exportiert wurden, viele auch über die Brandenburger Landkreise.

Brandenburgische Landkreise: alle Transporte legal

Die brandenburgischen Landkreise Teltow-Fläming, Prignitz und Oberspreewald-Lausitz erklärten in einer schriftlichen Stellungnahme jeweils, dass bei allen Exporten rechtliche Vorgaben bindend seien und Transporte alle rechtlichen Anforderungen erfüllen müssen, damit sie genehmigt werden können.

Zwei Landkreise scheinen sich dabei nicht sicher, ob es auf den von ihnen genehmigten Exporten nicht doch zu Verstößen gegen das Tierwohl kommen könnte. In den offenbar aufeinander abgestimmten Stellungnahmen appellierten die Landkreise Prignitz und Oberspreewald-Lausitz jedenfalls an "Privatpersonen oder Tierschutzorganisationen, die Kenntnis über Missstände bei Zuchttiertransporten erlangen, diese umgehend an die zuständigen Veterinärämter weiterzuleiten. Nur so kann diesen nachgegangen und entsprechende Schritte eingeleitet werden, insofern der Transport durch den Landkreis (...) genehmigt wurde."

Den Vorwurf, Tiertransporte genehmigt zu haben, auf denen das Tierwohl beim Transport absehbar gefährdet gewesen sei, wiesen deutschlandweit alle Landkreise, die auf unsere Anfrage antworteten, zurück. Alle abgefertigten Exporte seien vorab gründlich geprüft worden und hätten aufgrund der gemacht Angaben genehmigt werden müssen. Zu den notwendigen Angaben gehörten insbesondere die zeitlichen Vorgaben zur Transportroute, die vorgesehenen Versorgungsstationen, die Wettervorhersagen und das Vorweisen eines Zuganges zum GPS-System eines jeden Fahrzeuges zur gleichzeitigen beziehungsweise nachträglichen Verifizierung der gefahrenen Strecke. Insbesondere die GPS-Standorte würden auch während des Transports abgeglichen und Verstöße im Nachhinein konsequent geahndet.

Tierschutz gilt auch jenseits der Grenzen

Der Europäische Gerichtshof hatte 2015 in einem Urteil festgelegt, dass die EU-Tierschutzverordnung auch für den Transport lebender Tiere in Nicht-EU-Staaten gilt. Tierschützer kritisieren auch die Behandlung der Tiere am Zielort, beispielsweise die Schlachtbedingungen. Während des Transports müssen Auslauf- und Ruhezeiten für die Tiere gewährleistet sein. Die zuständigen Veterinäre in den Landkreisen müssen die Transporte genehmigen und vorab prüfen, ob die Tierschutzstandards eingehalten werden können.

Die Tierschutzorganisation "Vier Pfoten" hatte genau das als unwahrscheinlich für solche Transporte bezeichnet. Auf den Routen in diese Länder und vor Ort würden den Tieren "mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit erhebliche Schmerzen und Leiden zugefügt", so "Vier Pfoten". Die Organisation hat in 21 Fällen, die solche Transporte betreffen, Anzeige erstattet. Der rbb hatte vergangene Woche darüber berichtet.

Die Recherchen führten über die EU

Für die Recherche hatten die Journalisten vom rbb und dem ARD-Mittagsmagazin die Traces-Datenbank (Trade Control and Expert System) der EU einsehen können. In Traces werden alle Rinder erfasst, die eine Landesgrenze überschreiten. Zudem ist auch nachvollziehbar, aus welchem Landkreis exportiert wurde. Die EU beantwortete die Anfrage der Journalisten - zunächst. Allerdings mit geschwärzten Landkreisen - auf Betreiben Deutschlands. In der EU-Antwort heißt es, die deutschen Behörden hätten gegen die Offenlegung der Landkreise Einspruch erhoben, weil davon Geschäftsinteressen betroffen seien.

Dagegen legte das Recherche-Team Einspruch ein - und bekam im Juni die vollständige Auskunft. Für eine erneute Abfrage mit einem aktuellen Zeitraum 2020 wurde die Antwort wieder geschwärzt - wieder auf Betreiben Deutschlands. Diesmal begründet mit dem Persönlichkeitsschutz der Veterinärärzte, deren Identität - wenn die Landkreise bekannt würden - nachzuvollziehen sei.

Die Daten im Einzelnen:

Hessen, Bayern und Schleswig-Holstein definieren 17 Risikostaaten, bei denen von Verstößen gegen das Tierwohl ausgegangen werden muss und in die Rinder-Transporte deshalb grundsätzlich nicht genehmigungsfähig sind: Ägypten, Algerien, Armenien, Aserbaidschan, Irak, Iran, Kasachstan, Kirgistan, Libanon, Libyen, Marokko, Syrien, Tadschikistan, Türkei, Tunesien, Turkmenistan und Usbekistan. Nach Syrien, Armenien, Tadschikistan und Kirgisien gab es im untersuchten Zeitraum (Jan 2019 – Feb 2020) keine Exporte.

Die Top-Neun Landkreise sind für 97,34% aller Exporte verantwortlich

Pos. Landkreis Rinder
1. Emsland 7.197
2. Teltow-Fläming 6.478
3. Aurich 6.251
4. Prignitz 4.706
5. Steinfurt 3.576
6. Oberspreewald-Lausitz 1.897
7. Rhein-Sieg-Kreis 1.868
8. Görlitz 929
9. Tier-Saarburg 538
10. Rostock 263
11. Stendal 190
12. Vechta 142
13. Bautzen 93
14. Mittelsachsen 68
15. Meißen 64
16. Havelland 61
17. Amberg-Sulzbach 30
18. Berlin 4
  18 Landkreise 34.355

In die nordafrikanische Risikostaaten Ägypten, Algerien, Libyen, Marokko und Tunesien haben insgesamt elf Landkreise 16.731 Tiere exportiert. Die Top-Vier Landkreise (Emsland, Aurich, Steinfurt, Rhein-Sieg-Kreis) sind dabei für rund 90 Prozent aller Exporte (14.994 Rinder) in diese Länder verantwortlich.

In die zentralasiatischen Risikostaaten Aserbaidschan, Kasachstan, Turkmenistan und Usbekistan sind 10.315 Rinder exportiert worden. Rund 80 Prozent gehen dabei von drei Brandenburger Landkreisen (Prignitz, Teltow-Fläming, Oberspreewald-Lausitz) aus.

In die Risikostaaten im Nahen und mittleren Osten (Irak, Iran, Libanon, Türkei) sind 7.309 Rinder exportiert worden. Rund 50 Prozent (3.720) aus drei Brandenburger Landkreisen (Oberspreewald-Lausitz, Prignitz, Teltow-Fläming). 30 Prozent (2.212) kommen dabei aus dem Landkreis Prignitz. Fast 20 Prozent (1.414) kommen aus Steinfurt in Nordrhein-Westfalen.




July 16, 2020 at 11:12AM
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